Eva Lichtspiele

Blissestraße 18
10713 Berlin
U Blissestrasse oder Bus 101, 104, 249
Tel.: 030 / 922 55 305
Wir zeigen heute,
Samstag, den 27.04.2024:


11:00 Eva:
Arrow Das Geheimnis der schwarzen Koffer (1962)

13:00 Eva:
Arrow Sowas von super!

15:15 Eva:
Arrow Morgen ist auch noch ein Tag

17:45 Eva:
Arrow Morgen ist auch noch ein Tag (OmU)

20:30 Eva:
Arrow Es sind die kleinen Dinge

Eintrittspreise

Stella. Ein Leben

... wieder am Donnerstag + Freitag (14. + 15.3.) um 17.45 Uhr in den Eva-Lichtspielen !
!


Darf man das? Von einer jüdischen Frau erzählen, die während des Zweiten Weltkriegs dazu gezwungen wurde als sogenannte Greiferin zu agieren und hunderte Juden an die Nazis verriet? Darf man von einer Jüdin erzählen, die Opfer, aber auch Täterin war? Und das als Deutscher? Kilian Riedhof wagt es und hat mit „Stella. Ein Leben“, einen Film gedreht, der es gut meint und auch gut macht.

Deutschland 2023
Regie: Kilian Riedhof
Buch: Marc Blöbaum, Jan Baren & Kilian Riedhof
Darsteller: Paula Beer, Jannis Niewöhner, Katja Riemann, Lukas Miko, Joel Basman, Damian Hardung
Länge: 116 Minuten


FILMKRITIK:

Was für eine Geschichte. Als Kind jüdischer Eltern wird Stella Goldschlag 1922 in Berlin-Charlottenburg geboren, wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf und träumt von einer Karriere als Jazz-Sängerin im fernen Amerika. Doch dann kommen die Nazis, kommt der Krieg. Bis Anfang 43 können Stella, ihre Eltern und viele Freunde in Berlin leben und überleben. Doch der Druck wird immer größer, Stella wird von der Gestapo verhaftet, gefoltert und steht vor der Wahl: Sofort nach Auschwitz deportiert werden oder sich für die Nazis als Greiferin verdingen und andere Juden verraten. Auch um ihre Eltern zu retten wählt Stella die zweite Möglichkeit und schafft es so, den Krieg zu überleben.

Eine Geschichte, die fast so klingt als wäre sie von ewiggestrigen erfunden worden, um zu zeigen, dass die Juden ja selber Schuld an ihrem Schicksal waren. Die Gefahr, einen Film zu drehen, der Lob von der falschen Seite erhält, ist Regisseur Kilian Riedhof, der zusammen mit seinen langjährigen Schreibpartnern Marc Blöbaum und Jan Baren auch das Drehbuch verfasste, sehr bewusst. Um ihr zu entgehen versucht er in „Stella. Ein Leben“ einen Spagat. Einerseits werden die Ereignisse penibel, in einer bisweilen arg stückhaften Dramaturgie erzählt, die nach einem kurzen Prolog im August 1940 vor allem von Februar 1943 bis Anfang 1944 spielt. Die etwas zu alte Paula Beer spielt dabei Stella, Katja Riemann und Lukas Miko ihre Eltern, doch es ist Jannis Niewöhner, der herausragt. Er spielt den jüdischen Fälscher Rolf Isaakson, mit dem Stella eine Affäre beginnt und einen Tanz auf dem Vulkan erlebt. Exzessive Momente des Lebensglück erleben die Beiden in einem Berlin, in dem fast jede Nacht der Himmel brennt, die Fliegerbomben einschlagen.

Diese Momente des überdrehten Exzess kontrastieren zum Teil mit melodramatischen Szenen, dann wieder wirken Szenen betont realistisch, so wie die Doku-Dramen zu zeitgeschichtlichen Themen wie dem Geiseldrama von Gladebeck oder der Barschel-Entführung, die Riedhof fürs Fernsehen inszenierte. War es bei diesen Sujets jedoch möglich, sehr genau zu recherchieren, mit Zeitzeugen zu sprechen, ist das bei einem Stoff aus den 40ern nicht mehr möglich. Hier ist freie Interpretation notwendig, Zuspitzung, das Erfinden von Szenen, Emotionen, Dialogen. Hier muss man eine Haltung zu seinem Stoff und vor allem einer ambivalenten Figur wie Stella Goldschlag entwickeln. (...)

Wie ein Eiertanz wirkt „Stella. Ein Leben“ dadurch oft, vom Wunsch getragen, eine ganz ohne Frage faszinierende Biographie auf die Leinwand zu bringen, auch dem Wunsch im Vorfeld befragter Rabbiner gerecht zu werden, die meinten, dass diese Geschichte unbedingt erzählt werden muss. Gerade dass die Figur Stella Goldschlag den vorherrschenden Narrativen so diametral entgegensteht macht sie so interessant, macht das über sie Erzählen aber auch gleichzeitig so riskant. Wie das deutsche und auch internationale Publikum dieses gewagte Experiment aufnimmt, darauf darf man gespannt sein.

Michael Meyns, programmkino.de